Das war schon immer so!

a pile of black and white wires and a cassette

Kennt ihr das? Man ist neu in einem Unternehmen, sieht Missstände, spricht diese offen an – und hört dann als Begründung für den Missstand genau diesen einen Satz. Immer und immer wieder. Von unzähligen Kolleginnen und Kollegen.

Neue Rolle mit großer Verantwortung, der Job-Auftrag ist eindeutig: Veränderungen / Transformationen herbeiführen, Effizienz & Outcome steigern, das Unternehmen besser aufstellen und skalierbarer machen.

Bereits in den ersten 10 Tagen haben mir sehr viele Mitarbeitende die aktuellen Herausforderungen konkret durch Beispiele & eigene Erlebnisse bestätigt. Genau das hat mich extrem angespornt und motiviert zu sehen! Nämlich dass es für Veränderungen eine große Anzahl an Unterstützerinnen und Unterstützern gibt.

Klar war: Egal wo & wie ich mich engagiere, es kann „anders, als so, wie es schon immer war“ nur besser werden.

Allerdings hörte ich von Anfang an immer den gleichen Hinweis. Es sei noch niemandem geglückt, etwas an der Situation zu ändern: Weil die Dinge halt so seien wie sie sind. Und das eben schon immer so und nicht anders gewesen sei.

Diese „Kopf in den Sand stecken“ Haltung, die man vom Vogel Strauss kennt, habe ich nicht nur bei meinem eigenen Team, sondern auf allen Ebenen, in allen Unternehmensbereichen erlebt. Selbst ehemalige Vorgesetzte haben über Jahre resigniert und „unrunde“ Gegebenheiten hingenommen. Und geschwiegen, weil es ja eh nicht zu ändern sei.

Irgendwann hab ich den Spruch „Das war schon immer so“ bei Todesstrafe* verboten.

*</Ironie>

Warum nehmen wir „unrunde“ Dinge als gegeben? Gibt es eine Art höhere Macht, die scheinbar unantastbar ist? Warum traut sich niemand, Missstände bei dieser höheren Macht offen anzusprechen?

Meine traurige Erkenntnis: Es genügt nicht, wenn nur ein Mensch alleine versucht, Dinge zu verändern. Wenn alle anderen ihre „Straußenköpfe“ lieber im Sand lassen, und nur vereinzelt vorsichtig hervor blinzeln.

Ein Sprichwort sagt, der Fisch fängt immer am Kopf an zu stinken.

Ganz sicher weiß ich, dass es schon viele Einzel-Versuche der Veränderung gab – die vermutlich alle am Fischkopf abgeprallt & gescheitert sind.

Eine Organisationsveränderung kann kein einzelner Mensch herbeiführen. Er kann sie maximal initiieren, und versuchen, so viele motivierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter wie möglich zu aktivieren.

Wenn viele Vogel Strausse gemeinsam ihre Köpfe aus dem Sand heben, wird auch der Fischkopf reagieren.

Veränderung bedeutet, sich aus der Deckung zu wagen, klare Stellung beziehen.

Ja, das kann unangenehm werden, denn man wird angreifbar, verletzlich und es können dabei auch Fehler passieren (die man korrigieren kann). Ganz sicher atmet man danach aber freier als mit dem Kopf im Sand. Weil man es versucht hat. Weil man sich selbst im Spiegel in die Augen sehen kann.

Und falls es nicht klappt, dann gibt es immer noch die Option den Standort zu wechseln. Dahin, wo es weniger sandig ist und nicht so viele Strausse gibt.

Kleine Ergänzung aus eigener Erfahrung von der „anderen Seite“:
Vor vielen Jahren habe ich (als damals Produktverantwortliche) einmal einen jungen Kollegen mit dem Spruch abgewiegelt: Nein, das Feature haben wir mindestens schon 10mal abgelehnt, weil es nicht funktioniert. Er hat dreimal „Warum?“ gefragt – bis ich ihm genervt zugestanden habe, selbst noch einmal herauszufinden, warum es nicht geht. Und siehe da: Es ging doch. Und ich habe mich nicht nur entschuldigt, sondern auch viel dabei gelernt.

Von Silke Kanes

Als ehemalige Vorständin & Aufsichtsrätin - mit langjähriger Verantwortung für digitale Produktentwicklung und agile Transformation - unterstütze ich Unternehmen und deren Führungskräfte bei digitalen und unternehmenskulturellen Herausforderungen.