So, das war‘s. Es reicht mir, ich fühle mich unwohl.
Eigentlich hatte ich aus guten Gründen eine Entscheidung für mich getroffen – ist das jetzt inkonsequent, wenn ich meine Meinung ändere?
Es geht ums Haare färben. Oder darum, mit dem Haare färben aufzuhören.
Eigentlich eine Trivialität, angesichts anderer aktueller Probleme.
Um mich zu outen: Mit knapp über 30 tauchten meine ersten grauen Haare auf. Und ich fing erstmalig an, sie zu färben, möglichst nah an meiner Originalfarbe (dunkles Braun), damit es nicht auffällt. Anfangs noch unregelmäßig, zuletzt alle 4 Wochen.
Meine Kinder haben mich schon sehr früh gefragt, warum ich das überhaupt mache. Naja, ich wollte mit knapp 40 eben nicht wie eine „alte Frau“ aussehen.
„Wenn ich mal 50 bin, dann lass ich das sein.“ habe ich immer gesagt.
Aber je näher ich dieser magischen Grenze kam, desto weniger sicher war ich mir, ob ich das wirklich will. Meine mittlerweile erwachsenen Kinder, die mich seit Jahren mit dem Thema aufzogen, hatten dann auch ein Einsehen – und mir zum 50sten eine Großpackung Färbemittel geschenkt. Puhh, dachte ich, dann verschiebe ich das mal auf 60, oder so.
Mit Corona kamen dann ganz schräge Zeiten. Viele Wochen saß ich im Home-Office statt im Büro – teilweise in den letzten Schlamper-Klamotten (zumindest außerhalb des Kamerabereichs 😉) – und hab auch den Zeitpunkt zum nächsten Mal Haare färben lange rausgezögert. Dabei fiel mir auf, dass meine Haare mittlerweile nicht mehr nur vereinzelt grau waren. Wie wäre es, die Farbe einfach rauswachsen zu lassen – und das, was ich für 50 angekündigt hatte, jetzt mit 52 durchzuziehen?
Ich fing an, im Internet zu dem Thema zu recherchieren – wie würde ich aussehen, wer hat mittlerweile alles graue Haare. Da gibt es sehr viele toll aussehende Frauen! Was bedeutet es für die Haare, wenn nicht alle paar Wochen eine Ladung Chemie draufgesetzt wird (nur Gutes!).
Kurzum, im Mai traf ich die Entscheidung, von nun an nicht mehr zu färben.
„Sind Sie sicher?“ fragte mich meine Friseurin.
Vollkommen sicher, wie ich ihr alle paar Wochen beim jeweils nächsten Termin zum Schneiden versicherte. Ich bin ein Mensch, der persönliche Entscheidungen möglichst konsequent verfolgt und umsetzt. Außerdem empfand ich große Freude bei dem Gedanken, nicht mehr alle 4 Wochen genervt zu sein von der Prozedur, dem Gestank und der Erkenntnis, dass nach spätestens 2 Wochen schon der erste graue Ansatz wieder erkennbar ist. Und natürlich wollte ich auch meinen Haaren etwas Gutes tun.
Sehr tapfer habe ich mich in den vergangenen Monaten mit dem immer länger werdenden grauen Ansatz in der Öffentlichkeit gezeigt – und Familie, Freunde und Umfeld offensiv über mein Vorhaben informiert. („Sorry, es sieht gerade alles etwas komisch aus, aber in ein paar Monaten ist das durch & stimmig.“)
Seit Mitte August nun ließ sich erkennen, wie sich das Ganze bald komplett „stimmig“ darstellen würde. Der relativ kurz geschnittene Hinterkopf war schmutzig grau mit einzelnen braunen Haaren durchsetzt.
Ehrlich gesagt: Ich fand, es sah scheußlich aus.
Aber ich wollte zu meiner Entscheidung stehen, wollte nicht inkonsequent sein – und ist ja auch besser für die Haare. Aber: For what? Nur um mir selbst zu beweisen, die Sache durchgezogen zu haben? Und um danach unglücklich zu sein mit meiner „neuen Optik“?
Gestern nun hatte ich einen Friseurtermin. Waschen, Schneiden und: Färben. Das Ergebnis war für mich umwerfend – selten habe ich mich nach einem Friseurbesuch so positiv gestimmt gefühlt.
Es geht mir so gut, wie seit Wochen nicht mehr!
Ich fühle mich einfach viel wohler mit nicht-grauen Haaren. Auch wenn die ganze fiese Übergangszeit jetzt für die Katz war – egal. Ich habe eine neue Erfahrung gemacht und eine Entscheidung revidiert, ganz genau so, wie ich es auch bei der Arbeit machen würde: Ausprobieren – und wenn es nicht klappt, sein lassen. Es geht mir gut damit!
Ich werde aber künftig darauf verzichten irgendein Alter zu benennen, ab dem ich meine Haare nicht mehr färben möchte. Vielleicht gefallen mir braune Haare auch mit 80 noch besser an mir?