Nächste Schulung: Agiles Arbeiten?

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Der Titel dieses Artikels ist bewusst provokant gewählt, denn: Es gibt keine standardisierte Schulung bei der man am Ende ein Zertifikat erhält und sich „Agiler Mitarbeitender“ nennen darf.

Agiles Arbeiten geht einher mit einer Transformation des Unternehmens, die vor allem eines bedeutet: Kulturwandel.

Eine Transformation in Richtung New Work und Agilität gelingt nur durch eine kontinuierliche Anpassung der eigenen Denkweise und damit einhergehender Veränderung der Unternehmenskultur.

Vergleichbar der Einführung einer neuen Unternehmenssoftware, bedeutet eine geplante Umstellung Richtung Agilität eine „Umprogrammierung“ der Haltung der Mitarbeitenden und Führungskräfte.

Oftmals werden agile Methoden, Frameworks und Meeting-Formate gleichgesetzt mit agiler Arbeitsweise. Dabei ist Agilität in erster Linie eine Geisteshaltung.

Agilität kann nicht gelehrt werden, man muss sie selber erfahren. Es geht darum, offen, transparent und vor allem wertschätzend miteinander zu arbeiten. „Fehler machen“ erlauben und als Instrument sehen, daraus zu lernen. Führung auf Augenhöhe, Vertrauen in die Mitarbeitenden, Befähigung der Mitarbeitenden, sich als Führungskraft zurückziehen in die Rolle als Coach und Mentor der Mitarbeitenden. Engagierte, intrinsisch motivierte Mitarbeitende, die gemeinsam die Vision des Unternehmens vorantreiben, frische Ideen einbringen, erfolgreich sind. Das klingt toll, oder?

Die Wahrheit ist aber, dass man keinen Schalter im Kopf umlegen kann, um plötzlich agil zu sein.

Das dauert! Es muss klar sein, dass Menschen, die Jahre oder Jahrzehnte in einer festen Hierarchieform gearbeitet haben, sehr lange Zeit benötigen, auch nur einen kleinen Schritt in eine andere Richtung zu unternehmen. Viele sind dazu nicht bereit, und können nur durch vermeintliches „Ausprobieren“ dazu gebracht werden, Dinge mal ein klein wenig anders zu machen.

Erst durch das eigene Erleben erster Erfolge ist man bereit, weitere Neuerungen auszuprobieren. Erst durch erlebte & kommunizierte Erfolge in der einen Abteilung kann man weitere Abteilungen mit einbeziehen.

Es braucht dazu Unterstützer sowohl von Seiten der Mitarbeitenden, die Agilität mit vorantreiben – aber ganz besonders auch von Seiten der Führungskräfte.

Führungskräfte, die nicht bereit sind von ihrem alten Hierarchie- und Macht-Denken abzulassen, werden gute, agile Mitarbeitende schnell wieder verlieren und die eher bequemen behalten. Im Gegenzug werden agile Führungskräfte, die es nicht schaffen, jedem Mitarbeitenden das richtige Maß an Freiheit und Eigenverantwortung sukzessive zu übertragen, ebenfalls scheitern bzw. den Überblick / die Kontrolle verlieren.

Der Wunsch eines Unternehmens, Agilität einzuführen bedeutet, dies auf allen Ebenen langsam und schrittweise anzustoßen. Im Idealfall arbeiten überzeugte Führungskräfte Hand in Hand mit begleitenden Agile Coaches und führen in kleinen Schritten Änderungen durch. Und zwar durch Ausprobieren, Lernen und Anpassen mit dem Ziel, dabei jeden Einzelnen in seinem spezifischen Tempo mitzunehmen.

Die eigentliche Erkenntnis ist: Dieser Prozess hat kein Ende.

Denn der Prozess verbessert sich selbst kontinuierlich – Menschen, die lernen plötzlich eigenverantwortlich agieren zu können, entwickeln eine Eigendynamik. Dies kann dazu führen, dass Führungskräfte tatsächlich nur noch die Richtung vorgeben, sich in Workshops mit ihren Erfahrungen einbringen können und unternehmerische Entscheidungen treffen müssen.

Und dann vielleicht doch noch das Thema Schulung: Hat man die agile Geisteshaltung vor Augen oder sogar zu 100% verinnerlicht, kann das eine oder andere Methoden-Training sicher hilfreich sein, als Hilfe bei der Umsetzung.

Von Silke Kanes

Als ehemalige Vorständin & Aufsichtsrätin - mit langjähriger Verantwortung für digitale Produktentwicklung und agile Transformation - unterstütze ich Unternehmen und deren Führungskräfte bei digitalen oder unternehmenskulturellen Herausforderungen.