Disruption fängt im Kopf an

man in black and gray suit action figure

Alle Welt redet von Disruption im Kontext des digitalen Wandels. Was wir aber auch und dringend brauchen ist eine Disruption im Kontext erlernter Geschlechterrollen. Um mehr Frauen in technische Berufe zu bringen und aktiv Innovationen mitzugestalten.

Unsere Welt wird immer digitaler, die digitale Technik immer bunter und vor allem immer fester verankert im Alltag von Männern, Frauen, Kindern, jungen und älteren Menschen. Wir freuen uns über Innovationen und nutzen diese auch meist begeistert.

Damit Innovationen aber überhaupt erst entstehen können, ist vor allem wichtig, bei deren Entstehung die möglichen Nutzer mit einzubeziehen. Männliche und weibliche, alte und junge Sichtweisen sollten in den Entwicklungsprozess einfliessen und können sich hier wunderbar ergänzen. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, welche oftmals unvorhergesehenen Ergebnisse in Kreativ-Meetings entstehen, deren Teilnehmer bunt zusammengewürfelt wurden.

Leider aber zeigt die Realität, dass „Technik“ immer noch fast ausschließlich von Männern dominiert wird und es nach wie vor viel zu wenige Frauen gibt, die sich auf MINT-Berufsbilder einlassen.

Frauen und deren Sichtweisen werden dringend benötigt, an der Entwicklung technischer Produkte mitzuarbeiten. Warum tun sie es dann nicht einfach?

Woher nehmen viele Männer ihr Selbstverständnis, ihnen unbekannte technische Herausforderungen einfach anzunehmen und sich dabei meist besser zu verkaufen, als sie sind? Warum ordnen wir Frauen uns in der Regel viel lieber unter, sind meist zurückhaltend und machen einen Bogen um alles Technische?

Hier ist dringend eine Veränderung, ein Umdenken, sprich: Disruption erforderlich!

Die meisten von uns haben eine imaginäre „Schranke“ im Kopf, die das Wort „Technik“ automatisch mit „Männer-Domäne“ verknüpft. Ob bewusst oder unbewusst – wir sind damit groß geworden, dass Tätigkeiten und Interessen in männlich/weiblich unterteilt wurden. Durch Familie, Umfeld, Kindergarten, Schule und Beruf.

Jedes Mal, wenn man sich als Frau an eine „eigentlich für Jungs“ gedachte Aufgabe herantastet, muss man nicht nur selbst diese imaginäre Schranke überwinden, sondern auch dem Umfeld klarmachen, dass man sich die Aufgabe zutraut und bewältigen kann. Das ist doppelt schwierig, denn Scheitern wird in der Regel abgestraft und führt zu der Einsicht, dass es vielleicht doch nicht passt und man es lieber sein lässt. Während sich im Gegenzug ein Mann, der ja per Definition für technische Aufgaben geeignet ist, sich weniger schnell entmutigen lässt und dem auch vom Umfeld viel leichter Fehlversuche zugestanden werden.

Wir alle – Männer und Frauen – müssen hier unser Gehirn umprogrammieren: „Technik ist nichts Abstraktes, das von Männern für Männer gemacht wird.“

Wir brauchen Disruption in den Köpfen der Frauen, denn unsere Mitarbeit und -gestaltung, in der immer digitaler werdenden Welt, ist dringend erforderlich. Es kann großen Spaß machen, die Dinge mit zu entwerfen, die wir selber künftig und tagtäglich nutzen wollen. Wir müssen lernen, unsere eigenen Ideen und unsere eigene Sicht einzubringen und umzusetzen. Wir müssen ebenfalls lernen, uns laut & deutlich zu positionieren, mehr Verantwortung und damit Gestaltungsspielraum zu übernehmen.

Wir brauchen Disruption in den Köpfen der Männer, die in ihren oftmals gelebten Rollenklischees feststecken und begreifen müssen, dass Diversifizierung an allen Positionen in einem Unternehmen viele Vorteile für alle mitbringt. In einer Zeit, die Innovationen dringender denn je benötigt, müssen Aufgaben von allen Seiten betrachtet und gedacht werden. Männer müssen lernen, Frauen als kompetente Gesprächspartner auf Augenhöhe auch bei technischen Themen wahrzunehmen. Männer müssen ebenfalls lernen, sich selbst an der einen oder anderen Stelle vielleicht etwas zurückzunehmen und dafür einer Frau etwas mehr Sprechzeit einzuräumen.

Aus langjähriger eigener Erfahrung kann ich nur berichten, dass ein solches Umdenken nicht von heute auf morgen geht.

Es sind viele kleine Schritte und ein ständiges Neu-Denken der eigenen Rolle erforderlich. Hierbei können Sparringspartner unterstützen und helfen – man findet diese z.B. in der Familie, durch ein Mentoringprogramm, in Netzwerken, der Hochschule oder im eigenen Unternehmen.

Genau wie im Sport, wenn wir einen fehlerhaften Bewegungsablauf korrigieren wollen, hilft hier nur viel Training und Übung, um uns an das „neue“ und „andere“ Denkschema zu gewöhnen. Fangen wir doch am besten direkt damit an!

Von Silke Kanes

Als ehemalige Vorständin & Aufsichtsrätin - mit langjähriger Verantwortung für digitale Produktentwicklung und agile Transformation - unterstütze ich Unternehmen und deren Führungskräfte bei digitalen oder unternehmenskulturellen Herausforderungen.