Experiment: Selbstmanagement im Homeoffice mit Scrum

Etliche Wochen habe ich mich über mich selbst geärgert. Regelmäßig habe ich mich von meinem geplanten ToDo „Erstellung meiner eigenen Webseite“ ablenken lassen und wollte viel zu viel andere Sachen auf einmal erledigen. Selbst wenn man dauerhaft produktiv arbeitet, so ist man doch trotzdem nie zufrieden, weil es nicht das ist, was man sich vorgenommen hatte. Zu viele offene Baustellen geistern im Kopf herum.  

Der geregelte Tagesablauf im Büro fällt weg, kein gemeinsames Mittagessen, keine festen Sportzeiten. 

Eigene Projekte, Konferenzen, Konzepte, Weiterbildung, Coaching, Mentoring. Hinzu kommt dann immer noch Zeit für Familie, Dinge im Haushalt, Networking (!) und das schlechte Gewissen wegen mangelnder Bewegung.

Morgens, mittags, oft auch abends vor dem Bildschirm, getrieben von Meeting-Terminen via Zoom, Teams oder anderen digitalen Plattformen.

Dann die Erkenntnis: „Kein Fokus, zu viel auf einmal“!

Das hatte ich doch schon an anderer Stelle öfter gehört? Und zwar in unzähligen Retrospektiven von Scrum-Teams, die ihre Sprint-Ziele verfehlt haben. Jedes Mal verbunden mit der Bitte, einfach mal nur an einem Projekt arbeiten zu dürfen. Sollte Unvorhergesehenes dazwischenkommen, dann kann man dafür feste Zeitfenster einplanen und es ist in Ordnung.

Wie wäre es, mich selbst wie ein Scrum-Team zu organisieren?

Gesagt getan: Ich habe als allererstes für mich passende „Team-Regeln“ definiert – und seitdem lief es viel besser! Die Regeln sind nicht kompliziert – und unterliegen ständiger Beobachtung und flexibler Anpassung:

1.

Die wichtigste Regel: Ich arbeite nur an einem (überschaubaren) Projekt, bis dieses fertig ist. Alles, was mir zwischendrin zu anderen Themen in den Sinn kommt, landet im „Backlog“, sprich: Wird notiert und in eine Schublade gepackt oder an eine kleinere Tafel gepinnt. 

2.

Mein Projekt formuliere ich als verständliches Sprintziel, zerstückele es in ToDos und schätze grob die Aufwände. Das passiert beim „Planning“ auf einer Tafel mit echten Zetteln. 

3.

Für andere feste Termine oder Networking (z.B. diesen Beitrag bei LinkedIn bewerben) plane ich Zeitfenster ein. Dazu gehört auch Sport! Das mache ich zum Start jeder neuen Woche – dann kann ich auch auf einen Blick sehen, wieviel Zeit mir für mein aktuelles Projekt zur Verfügung steht.

4.

Wenn ungeplante dringende ToDos dazwischenkommen, erledige ich diese ohne schlechtes Gewissen – setze mich dann aber wieder weiter an mein Projekt.

5.

Jeden Tag reflektiere ich kurz den Vortag und plane die Tages-Aufgaben beim „Daily“. Das passiert jeden Morgen beim Hundespaziergang, der sowieso immer stattfindet. Ideal: Dabei denke ich auch über Optimierungen nach, quasi „Retrospektive-on-the-go„.

6.

Ist mein Projekt fertig, lade ich zum „Review“ Menschen ein, die mir wichtig sind und Feedback geben können. Bei Erreichen des Projektziels überlege ich, wie ich mich selbst belohnen kann. Zum Beispiel mit einer tollen Wanderung!

Danach kann ich flexibel und agil entscheiden, welches Projekt aus meiner Backlog-Kiste als nächstes angegangen wird. Und starte wieder bei Punkt 1.

Auf diese Art und Weise habe ich das Projekt „Meine eigene Webseite“, welches ich vorher monatelang vor mir hergeschoben hatte, innerhalb von 3 Wochen (=3 Sprints) konzipiert und umgesetzt. Und trotzdem noch viele andere ToDos („Tagesbusiness“) nebenbei geschafft! 


Diesen Text habe ich bereits Anfang März geschrieben, kurz nachdem ich meine Webseite gelauncht hatte. Dann kamen viele Aufträge, und der Entwurf ist erstmal liegen geblieben. Daher jetzt – mit über einem halben Jahr Zeitverzug – ein paar Learnings, wie diese Webseite als kleines Scrum-Projekt entstanden ist!

Von Silke Kanes

Als ehemalige Vorständin & Aufsichtsrätin - mit langjähriger Verantwortung für digitale Produktentwicklung und agile Transformation - unterstütze ich Unternehmen und deren Führungskräfte bei digitalen oder unternehmenskulturellen Herausforderungen.